Entstehung von Zwangsstörungen
Die Ursachen von Zwangsstörungen sind komplex und vielschichtig. Es sind biologische, psychologische und soziale Faktoren beteiligt.
Bio-Psycho-Soziales Modell
Aufgrund der Beobachtung, dass Zwangsstörungen familiär gehäuft auftreten können, werden genetische Faktoren als Vulnerabilitätsfaktoren vermutet. Dabei spielt jedoch nie nur ein einziges Gen eine Rolle, sondern eine Vielzahl von Genen in Interaktion mit weiteren Faktoren.
Untersuchungen mit funktioneller Bildgebung weisen auf eine Funktionsstörung von Regelkreisen des Gehirns hin, bedingt durch ein Ungleichgewicht bestimmter Botenstoffe im Gehirn (sogenannte Neurotransmitter). Dabei wird v. a. die Bedeutung von Serotonin und Dopamin diskutiert. Einmal eingeschlagene Denk- und Verhaltensmuster können so nicht adäquat beendet werden.
In höchst seltenen Fällen wird beim Auftreten von Zwängen im Kindes- und Jugendalter ein Zusammenhang mit Autoimmunreaktionen nach Infektionskrankheiten vermutet.
Bei Zwangsgedanken, wie z. B.: aus Unachtsamkeit, die Fenster beim Verlassen der Wohnung nicht verschlossen zu haben, handelt es sich um automatische Gedanken des Bewusstseinsstroms, welche jeder kennt. Hartnäckig werden sie erst dann, wenn sie von den Betroffenen als katastrophal bewertet werden.
Die Fehlbewertung von automatischen Gedanken hängt oft Zusammen mit einer Neigung zu:
- Perfektionismus und Intoleranz von Unsicherheit
- Übermässiges Verantwortungsgefühl und Überschätzung von Gefahr
- Vorstellung der Kontrollierbarkeit von Gedanken
- Bindungsunsicherheit und Angst verlassen zu werden
Rituale und Zwangshandlungen wie z. B.: das Kontrollieren der Türen verschaffen ein Gefühl von Sicherheit. Die Angst reduziert sich oder verschwindet.
Zwänge können im innerseelischen Bereich gewisse Funktionen übernehmen
- Regulation von unangenehmen Emotionen
- Form der Beschäftigung
- Schutz vor der Verantwortungsübernahme für anstehende Entwicklungsschritte bei ausgeprägter Selbstunsicherheit
- Verarbeitung von Traumata, insbesondere bei Waschzwängen
Soziale Faktoren können bei der Aufrechterhaltung von Zwängen eine Rolle spielen.
Im zwischenmenschlichen Bereich können gewisse Konflikte durch die Zwänge reguliert werden:
- Zwänge verschaffen Nähe zu Bezugspersonen durch deren Einbindung in Zwangsrituale
- Zwänge halten andere auf Abstand durch die Erschwerung von Intimität und gemeinsamem Erleben
- Vermeidung von sozialen Herausforderungen und Erschwerung sozialen Lernens, wenn die eigene Wohnung nicht verlassen werden kann