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Zwangsarten
Von Gedanken und Handlungen unter Zwang
Zwangsstörungen zeigen sich klinisch in wiederkehrenden Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, die das emotionale Erleben und das Funktionieren im Alltag einschränken. Die Patienten Betroffenen berichten über unangenehme Gedanken, Vorstellungen und Handlungsimpulse (Intrusionen), die sich dem Bewusstsein aufdrängen (englisch: obsessions), sowie über ritualisierte Gedanken- und Handlungsketten (englisch: compulsions), die ausgeführt werden, um aversive Befürchtungen zu vermeiden oder zu neutralisieren.
Weltweit verbreitet
Zwangsstörungen kommen in allen Kulturen gleichermassen vor. Das klinische Bild präsentiert sich in allen Kulturen auf vergleichbare Art und Weise. In den meisten Fällen treten Zwangsgedanken und –handlungen gemeinsam auf. Häufig beschäftigen sich Betroffene mehrere Stunden am Tag mit den Zwängen.
Starke Einschränkungen
Bei etwa 75% der Betroffenen stehen Handlungszwänge im Vordergrund, wobei in etwa 70% der Fälle die Handlungszwänge mit einer ausgeprägten kognitiven Komponente einhergehen. Durchschnittlich beschäftigen sich Betroffene etwa 7-8 Stunden am Tag mit den Zwängen, was zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität führt.
Zwangsgedanken
Gezwungen zum Denken
Unter Zwangsgedanken (englisch: obsessions) werden Gedanken, Vorstellungen oder Impulse verstanden, die sich dem Betroffenen gegen seinen Willen aufdrängen und ihn übermässig beschäftigen. Sie können alltäglichen Gedanken und Befürchtungen ähneln, haben jedoch eine intensivere Qualität. Oftmals handelt es sich um bizarre, rational schwer nachvollziehbare Gedanken.
Wiederkehrende Themen
Typische Themen von Zwangsgedanken sind:
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Ansteckung (Gedanken, sich durch Berührungen von Türklinken etc. mit Krankheitserregern zu infizieren und zu erkranken, bzw. diese unkontrollierbar zu verbreiten und auch andere zu gefährden)
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Vergiftung (Befürchtung, durch Kontakt sich und andere zu vergiften)
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Verschmutzung (Befürchtung, sich zu verschmutzen und dies zu verbreiten)
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Krankheit (Befürchtung durch Unvorsicht selbst zu erkranken oder die Erkrankung Dritter zu verursachen)
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Streben nach Symmetrie (Unwohlsein, wenn Gegenstände nicht symmetrisch angeordnet sind)
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Ordnung (Gedankliche Beschäftigung mit Ordnung, um Unwohlsein zu vermeiden)
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Aggression (Befürchtung einer nahestehenden Person, zu der eigentlich ein inniges Verhältnis besteht, Gewalt anzutun)
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Sexualität (Impulse, sich sexuell obszön zu verhalten)
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Religion (blasphemische Gedanken bei Menschen mit oftmals enger religiöser Bindung).
Eine schwere Last
Die Betroffenen erleben die Zwangsgedanken meist als quälend, sinnlos, inakzeptabel oder beschämend. Sie versuchen meist erfolglos, Widerstand zu leisten oder die Gedanken zu unterdrücken. Zwangsgedanken können durch bestimmte Situationen ausgelöst werden oder spontan auftreten. Zwangsgedanken, die als Handlungsimpulse erlebt werden, werden nicht tatsächlich ausgeführt.
Zwangshandlungen
Gezwungen zum Handeln
Zwangshandlungen sind ursprünglich zweckgerichtete Handlungsweisen wie etwa das Händewaschen, die in ritualisierter Form einförmig wiederholt werden. Sie werden weder als angenehm empfunden, noch dienen sie dazu eine sinnvolle Aufgabe zu erfüllen. Die Betroffenen setzen sie ein, um kurzfristig eine innere Anspannung zu reduzieren, einen vermeintlichen Schaden wieder gutzumachen oder ein Unheil in der Zukunft zu verhindern.
Gegen den inneren Widerstand
Gleichzeitig sind die Zwangshandlungen mit deutlichen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit und des sozialen Lebens verbunden, weswegen sie von den Betroffenen zum einen häufig verheimlicht und zum anderen gegen einen inneren Widerstand ausgeführt werden. Trotz der meist zumindest teilweise bestehenden Einsicht in die Unsinnigkeit der Handlungen, können die Zwangshandlungen von den Patienten oft kaum unterlassen werden. Kann die Zwangshandlung nicht sofort ausgeführt werden, führt dies zu einem schwer aushaltbaren Anstieg von Anspannung und Angst, so dass die Handlung meist zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt wird.
Inhaltlich können Zwangshandlungen unterschieden werden in:
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Wasch- und Duschzwänge (stereotype Wasch- und Duschrituale aufgrund von Verschmutzungs- und Ansteckungsängsten)
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Reinigungs- und Putzzwänge (ausgeprägte Reinigungsrituale aufgrund von Verschmutzungs- und Ansteckungsängsten)
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Kontrollzwänge (Wiederholen von Handlungen, um Fehler zu vermeiden bzw. um ein richtiges Gefühl herzustellen)
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Ordnungszwänge (Gegenstände gemäss bestimmter Prinzipien anordnen, innere Anspannung, sobald die Ordnung durch andere gestört wird)
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Berührungszwänge (Zwanghaftes Antippen von Gegenständen oder Personen)
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Sammelzwänge (Nichtwegwerfen können von Gegenständen wie z. B. Zeitungen oder Zeitschriften aufgrund der Befürchtung, diese noch einmal gebrauchen zu können oder dadurch ein Teil von sich zu verlieren.
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Zählzwänge (Gedankliches Zählen auf eine bestimmte Zahl, um Befürchtungen zu neutralisieren, meist im Kontext mit anderen Zwangshandlungen)
Die Situation entscheidet oft
Das Zwangsverhalten ist oft an bestimmte Situationen gebunden und kann in einem anderen Kontext überhaupt keine Rolle spielen. Wie zum Beispiel das Ausbleiben von Putzzwängen an einem Ort, für den man sich nicht verantwortlich fühlt. Eine Sonderform der Zwangshandlungen stellt die zwanghafte Langsamkeit dar. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass alltägliche Handlungen (z. B.: Anziehen, Frühstücken, Gehen) extrem langsam und bedächtig durchgeführt werden. Das Verhalten des Betroffenen wirkt dabei auf einen Zuschauer wie ein Film, der in Zeitlupe vorgeführt wird. Dabei sind die Verzögerungen nicht das Resultat eines speziellen Zwangs, sondern entstehen dadurch, dass das Ausführen von Alltagshandlungen selbst extrem viel Zeit in Anspruch nimmt.